Finanzstrafrecht

Selbstanzeige und Verjährung – Ein Wechselspiel zwischen Strafaufhebung und Offenbarung

3.4.2025

Die unterschiedlichen Verjährungsregime: Abgabenrecht vs. Finanzstrafrecht

Bevor Sie sich in aufwendige Selbstanzeigen stürzen, prüfen Sie auch die Verjährung! 

Wir wissen: (Verjährungs-)Fristen kennen, heißt persönliche Haftungen vermeiden!

Der folgende Beitrag gibt Ihnen einerseits einen kurzen, kompakten und vereinfachten Überblick über die unterschiedlichen Verjährungsregime nach der BAO und dem FinStrG, die auch bei einer Selbstanzeige relevant sind. Andererseits wird noch ein Blick „ins Nähkästchen“ gewährt und werden Beispiele aufgezeigt, die in der Praxis immer wieder zu Beraterhaftungen führen.

  1. Die Bemessungsverjährung nach der BAO:

Die Bemessungsverjährung definiert konkret, wie lange das Finanzamt Steuern festsetzen darf.[1]

In den praktisch relevantesten Fällen, nämlich betreffend die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer, beträgt diese Verjährungsfrist 5 Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Liegen hinterzogene Abgaben vor, verlängert sich die Frist auf 10 Jahre. Diese Fristen sind in § 207 BAO geregelt.

Werden innerhalb dieser Verjährungsfrist (nach außen erkennbare) Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die relative Verjährungsfrist um ein Jahr. Es kann zu weiteren Verlängerungen kommen, wenn weitere Amtshandlungen in jenem Jahr vorgenommen werden, bis zu dessen Ablauf die relative Verjährungsfrist verlängert wurde.

Klassische Beispiele für solche Amtshandlungen sind:

  • Aufforderung zur Einreichung von Abgabenerklärungen,
  • Ergänzungsansuchen,
  • Bescheidmäßige Festsetzungen,
  • Außenprüfungen usw.

Dazu ein veranschaulichendes Beispiel:

  • Einkommensteuer 2019: Beginn der Verjährung mit Ablauf von 2019, verjährt ist das Recht zur Bemessung damit mit Ende des Jahres 2024 (5 Jahre später),
  • Zustellung des Einkommensteuerbescheides im Jahr 2020 = Verlängerung der ursprünglichen Verjährung um ein Jahr, somit bis Ende 2025,
  • Außenprüfung im Jahr 2025 = Verlängerung um ein weiteres Jahr bis 2026, aufgrund der neuerlichen Amtshandlung im Jahr 2025,
  • die Bemessungsverjährung der Einkommensteuer 2019 tritt daher mit Ablauf des Jahres 2026 ein.

Absolute Verjährung:

Unabhängig davon, welche und wie viele verlängernde Amtshandlungen erfolgen, verjährt das Recht auf Bemessung einer Abgabe spätestens 10 Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.

Dazu ein Beispiel:

  • Hinterzogene Einkommensteuer 2019 (Beginn der 10-jährigen Verjährung mit Ablauf von 2019),
  • Zustellung Einkommensteuerbescheid im Jahr 2020
  • Außenprüfung im Jahr 2029 
  • die absolute Verjährung tritt mit Ablauf des Jahres 2029 ein (10 Jahre ab Beginn der Verjährung), dh die Behörde müsste in 2029 einen ESt-Bescheid für 2019 erlassen, andernfalls wäre die Einkommensteuer 2019 absolut verjährt.

  1. Die Verjährung nach dem FinStrG:

Die relative Verjährungsfrist 

Die relative Verjährung beträgt für Finanzordnungswidrigkeiten entweder 

  • 1 Jahr (zB für die vorsätzliche Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht nach § 51 FinStrG) 
  • oder 3 Jahre (zB für die Nichtentrichtung von Selbstbemessungsabgaben nach § 49 FinStrG), 

für die übrigen Finanzvergehen (zB Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG) 5 Jahre.

Die Verjährung beginnt grundsätzlich bei Erfolgsdelikten (zB Hinterziehung der Einkommensteuer) mit Eintritt des Erfolges (= mit Zustellung des Einkommensteuerbescheides und sohin dem Bewirken der Abgabenverkürzung). 

Dazu ein Beispiel:

  • Hinterzogene Einkommensteuer 2019,
  • Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2019 am 6.5.2020,
  • Erfolgseintritt am 6.5.2020 – Beginn der Verjährung (5 Jahre),
  • die relative Verjährung ist mit Ablauf des 6.5.2025 eingetreten.

„Zug-Waggon-Prinzip“ nach § 31 Abs 3 FinStrG

Begeht der Täter jedoch während der relativen Verjährungsfrist ein anderes vorsätzliches Finanzvergehen, so tritt die Verjährung für das erste Delikt so lange nicht ein, bevor auch für die nachfolgende Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist, dh es verlängert sich die relative Verjährung für das „Vordelikt“ um jenen Zeitraum, bis auch die Verjährung für das „Nachdelikt“ abgelaufen ist.

Dazu ein Beispiel:

  • Abgabenhinterziehung (= Vorsatztat) im Jahr 2023 (Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre, das Delikt verjährt daher grundsätzlich in 2028),
  • Finanzordnungswidrigkeit (nach § 51 FinStrG) im Jahr 2028 (Verjährungsfrist dieser Finanzordnungswidrigkeit beträgt 1 Jahr, Verjährung daher in 2029),
  • Die Verjährung für sämtliche Delikte erfolgt erst im Jahr 2029.

Absolute Verjährungsfristen

In einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren, das heißt, wenn im Wesentlichen der verkürzte Betrag € 150.000,-- nicht übersteigt oder eine Vorsatztat nicht vorliegt, gibt es eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren.[2]

Im Rahmen des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens, das heißt grundsätzlich bei Vorliegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens (mit Ausnahme von Finanzordnungswidrigkeiten) und einer verkürzten Steuer in Höhe von mehr als € 150.000,--, gibt es keine absolute Verjährung

  1. Wechselspiel bei: Selbstanzeige und Verjährung

(Verjährungs-)Fristen kennen heißt Haftungen vermeiden!

Dies soll an nachfolgenden Beispielen veranschaulicht werden:

Beispiel 1:

Sachverhalt:

Abgabenrechtlich:

  • Einkommensteuer 2019: Beginn der relativen Verjährung mit Ablauf von 2019, verjährt ist das Recht zur Bemessung damit mit Ende des Jahres 2024 (5 Jahre später),
  • Zustellung des Einkommensteuerbescheides für 2019 im Jahr 2020 = Verlängerung der ursprünglichen Verjährung um ein Jahr, somit bis Ende 2025,
  • Außenprüfung im Jahr 2025 = Verlängerung um ein weiteres Jahr bis 2026, aufgrund der neuerlichen Amtshandlung im Jahr 2025,
  • die relative Bemessungsverjährung der Einkommensteuer 2019 tritt daher mit Ablauf des Jahres 2026 ein.

Finanzstrafrechtlich:

  • Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2019 am 6.5.2020,
  • Erfolgseintritt am 6.5.2020 – Beginn der Verjährung,
  • die relative Verjährung ist mit Ablauf des 6.5.2025 eingetreten.

Mit Ablauf des 6.5.2025 ist die Einkommensteuer 2019 finanzstrafrechtlich bereits verjährt, während die abgabenrechtliche Bemessungsverjährung erst mit Ablauf des Jahres 2026 eintritt.

Praxistipp: Vor Selbstanzeige -> Verjährung prüfen!

Für finanzstrafrechtlich bereits verjährte Delikte ist keine Selbstanzeige mehr erforderlich. Wird dennoch eine Selbstanzeige erstattet, kann dies – mangels eingetretener abgabenrechtlicher Verjährung – jedoch weiterhin zu steuerlichen Festsetzungen führen!

Beispiel 2:

Sachverhalt: 

Abgabenrechtlich:

  • Einkommensteuer 2021: Beginn der relativen Verjährung mit Ablauf von 2021, verjährt ist das Recht zur Bemessung damit mit Ende des Jahres 2026 (5 Jahre später),
  • Zustellung des Einkommensteuerbescheides für 2021 im Jahr 2022 = Verlängerung der ursprünglichen Verjährung um ein Jahr, somit bis Ende 2027,
    • Außenprüfung im Jahr 2025 = keine Verlängerung um ein weiteres Jahr bis 2028, aufgrund der neuerlichen Amtshandlung im Jahr 2025,[3]
  • die relative Bemessungsverjährung der Einkommensteuer 2021 tritt daher mit Ablauf des Jahres 2027 ein.

Finanzstrafrechtlich:

  • Der Abgabepflichtige hat vorsätzlich im Zeitraum 2010 bis inklusive 2021 Vermietungseinkünfte nicht in seinen Einkommensteuererklärungen erfasst. Jährlich ergibt sich dadurch ein verkürzter Betrag von EUR 20.000,00, dh für sämtliche 12 Jahre EUR 240.000,00;
  • Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2021 am 6.5.2022,
  • Erfolgseintritt am 6.5.2022 – Beginn der finanzstrafrechtlichen Verjährung für die Einkommensteuer 2021,
  • die relative finanzstrafrechtliche Verjährung tritt mit Ablauf des 6.5.2027 ein

Die Außenprüfung findet im Jahr 2025 statt. Prüfungsgegenständlich sind die Jahre 2021 bis 2023. Der Abgabepflichtige will zu Beginn der Betriebsprüfung im Jahr 2025 eine Selbstanzeige erstatten. 

Aus abgabenrechtlicher Sicht könnten – unterstellt man vorsätzliches Verhalten – noch die Jahre bis zurück in 2015 geprüft und vorgeschrieben werden.

Aus finanzstrafrechtlicher Sicht sind aber auch die Jahre 2010 bis inklusive 2014 offenzulegen (wenn auch nicht mehr zu entrichten):

Weil es im gerichtlichen Finanzstrafverfahrens keine absolute Verjährung mehr gibt, sind die (vorsätzlich begangenen) Vordelikte unter Berücksichtigung des Zug-Waggon-Prinzips iSd § 31 Abs 3 FinStrG auch noch nicht verjährt (letztes Delikt verjährt erst am 6.5.2027)! 

Praxistipp: Vor Selbstanzeige -> Verjährungsfristen prüfen!

Eine Selbstanzeige kann in so einem Fall zur Strafaufhebung für die gesamten Jahre führen und besteht für die bereits abgabenrechtlich verjährten Abgaben kein Entrichtungserfordernis (weder für Selbstbemessungs- noch für Veranlagungsabgaben).

Besonderheit: in der Literatur wird jedoch auch die Meinung vertreten, dass der abgabenrechtliche Verjährungseintritt zum Entstehen einer Naturalobligation führt (und damit zum grundsätzlichen Fortbestehen der Schuld). Werden die Abgaben also trotz fehlender Verpflichtung zur Entrichtung an das Finanzamt gezahlt, können diese womöglich nicht mehr rückgefordert werden!

Mit diesen einfachen Beispielen soll veranschaulicht werden, wie das vielfältige Wechselspiel von abgabenrechtlicher und finanzstrafrechtlicher Verjährung in gegenläufige Richtungen gehen kann und daher die vielfältigen Fallkonstellationen bei Selbstanzeigen mitberücksichtigt werden müssen, sollen diese doch einerseits zur vollständigen Strafaufhebung, andererseits aber auch nicht zu einer monetären Mehrbelastung führen. 

Wir kennen aufgrund unserer jahrelangen Erfahrungen die vielfältigen Stolpersteine bei Selbstanzeigen. Diese sollen dem Klienten Straffreiheit verschaffen und nicht das Gegenteil bewirken samt unnötiger Beraterhaftungen inklusive. 

Fazit: 

Verjährungsfristen erkennen, Straffreiheit erlangen, Haftung vermeiden und Herausforderungen gemeinsam meistern.

Wir stehen Ihnen mit unserer Expertise gerne hilfreich zur Seite, damit persönliche und unternehmerische Nachteile vermieden werden
 

[1]Auf Sondertatbestände, die der Abgabenbehörde ermöglichen, teilweise auch noch nach Ablauf von relativen Verjährungsfristen Steuern festzusetzen, wie zB das Recht auf Wiederaufnahme, wird hier nicht eingegangen, da es sonst den Rahmen sprengen würde.

[2]Auf die Sonderkonstellationen betreffend die Problematik des fortgesetzten Deliktes sowie die Frage des Beginnes der 10-jährigen Verjährungsfrist bei echten Unterlassungsdelikten wird hier nicht eingegangen, da dies den Rahmen sprengen würde.

[3] Es liegt kein Fall des § 209 Abs 1 2. Satz BAO vor

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