Finanzstrafrecht

Kritische Betriebsprüfung® – "Querschläger – the dark side" (Teil 2)

17.10.2024

Rechtzeitigkeit, Vorbereitung und Strategie – oder planlos in die dunkle Falle des StGB

Im ersten Teil dieser Reihe wurde bereits erklärt, was Querschläger sind, wie diese grundsätzlich durch tätige Reue saniert werden können und welche Kardinalfehler dabei unbedingt vermieden werden sollten. Die Offenlegung strafbaren Verhaltens bei Erstattung einer Selbstanzeige kann in der Praxis die tätige Reue konterkarieren, weil diese zur Tatentdeckung durch die Strafverfolgungsbehörde führen und eine rechtzeitige Schadensgutmachung verhindern kann. Da in der Praxis vor allem die Rechtzeitigkeit (§ 167 Abs 2 StGB) der Schadenswiedergutmachung mit großen Hürden verbunden ist, wird nachstehend auf diese Voraussetzung der tätigen Reue eingegangen.

1. Rechtzeitigkeit der Schadensgutmachung als Kernvoraussetzung der tätigen Reue

Zusammengefasst verlangt § 167 StGB neben der Reuefähigkeit des Delikts zur Aufhebung der Strafbarkeit eine rechtzeitige, freiwillige und vollständige Schadensgutmachung oder die vertragliche Verpflichtung dazu. Die Schadensgutmachung ist nur dann rechtzeitig, wenn sie geschieht, bevor die Behörde vom Verschulden des Täters erfahren hat.

Unter den Begriff der „Behörde“ iSd § 167 fallen infolge des Verweises auf § 151 Abs 3 StGB nur zur Strafverfolgung berufene Behörden in dieser ihrer Eigenschaft. Gleichgestellt sind nach jener Bestimmung zur Strafverfolgung berufene öffentliche Sicherheitsorgane.

Ob das Reueverhalten zu spät oder noch rechtzeitig war, wird durch den Zeitpunkt der Tatentdeckung durch die Strafverfolgungsbehörde bestimmt: Die Behörde oder ein öffentliches Sicherheitsorgan hat dann vom Verschulden des Täters erfahren, sobald diesen Informationen vorliegen, die einen konkreten Anhaltspunkt dafür bieten, dass dieser Täter jene Straftat begangen hat, auf die sich die Gutmachung bezieht. Bloß subjektive, nicht genügend konkretisierte Verdächtigungen reichen nicht aus, um die Rechtzeitigkeit der tätigen Reue auszuschließen.

Ob eine Behörde oder ein Sicherheitsorgan bereits vom Verschulden des Täters erfahren hatte, bevor die Schadensgutmachung geleistet wurde, ist nach der Beweislage zu beurteilen, die zur Zeit der Gutmachung bei der Behörde oder dem Sicherheitsorgan objektiv gegeben war. Wenn die Beweislage bereits einen konkreten Anhaltspunkt dafür bot, dass gerade dieser Täter die Tat begangen hat, auf welche sich die Schadensgutmachung bezieht, kam das Reueverhalten zu spät.

„Es müssen Informationen vorliegen, die konkrete Anhaltspunkte bieten, dass gerade dieser Täter die Straftat begangen hat, auf die sich die Gutmachung bezieht. Bloß subjektive, nicht genügend konkretisierte Verdächtigungen reichen nicht aus, um die Rechtzeitigkeit tätiger Reue auszuschließen.“
RA Mag. Beate Kiewlicz

Zusammengefasst: Für die Rechtzeitigkeit der Schadensgutmachung bzw vertraglichen Verpflichtung ist nach § 167 StGB in jedem Fall entscheidend, ob (ex-post betrachtet) schon zum Zeitpunkt der Schadensgutmachung die Veranlassung von Erhebungen gegen den Täter wegen dieser Tat bei pflichtgemäßer Reaktion der Behörde auf Grund der Verdachtslage geboten war. Wenn das der Fall ist, wurde die Reuehandlung zu spät gesetzt, um strafbarkeitsaufhebende Wirkung zu entfalten und ist die Rechtzeitigkeit der Schadensgutmachung damit nicht gegeben.

„Für die Rechtzeitigkeit ist entscheidend, ob (ex-post betrachtet) schon zum Zeitpunkt der Schadensgutmachung die Veranlassung von Erhebungen gegen den Täter bei pflichtgemäßer Reaktion der Behörde auf Grund der Verdachtslage geboten war. Wenn das der Fall ist, ist die Rechtzeitigkeit der Schadensgutmachung damit nicht mehr gegeben.“
RA Dr. Christian Eberl

2. Sonderfall der Schadensgutmachung „im Zuge einer Selbstanzeige“ nach § 167 Abs 3 StGB

§ 167 Abs 3 StGB normiert explizit den Fall der Selbstanzeige durch den Täter. Demnach ist die Schadensgutmachung auch dann (noch) rechtzeitig, wenn sie „im Zug einer Selbstanzeige“ des Täters geschieht, „die der Behörde (§ 151 Abs 3) sein Verschulden offenbart“. Durch die Formulierung des § 167 Abs 3 StGB ist zunächst klargestellt, dass tätige Reue ausgeschlossen ist, wenn die Behörde oder ein Sicherheitsorgan schon vor der Selbstanzeige vom Verschulden des Täters erfahren hat. Liegen der Behörde aber zur Zeit der Selbstanzeige noch keine konkreten Anhaltspunkte für die Begehung der Tat durch den sein Verschulden offenbarenden Täter vor, so ist die Schadensgutmachung rechtzeitig, wenn sie noch während der Selbstanzeige erfolgt, also genau genommen regelmäßig erst nach dem eigentlichen Schuldbekenntnis.

3. Kardinalfehler bei der tätigen Reue im Zusammenhang mit der Rechtzeitigkeit

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit der Schadenswiedergutmachung im Rahmen einer tätigen Reue iSd § 167 StGB ein sehr strenger Maßstab angelegt wird. Dies ist insbesondere zu beachten, wenn bei Erstattung einer Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt nach dem StGB quasi „begleitend als Querschläger“ zum Vorschein kommt.

Der in der Praxis am häufigsten begangene Kardinalfehler im Zusammenhang mit der Rechtzeitigkeit der Schadenswiedergutmachung bei der tätigen Reue liegt darin, dass bei Offenlegung des Sachverhalts in einer Selbstanzeige nach § 29 FinStrG nicht sorgfältig erwogen und mitbedacht wird, inwieweit dieser offengelegte Sachverhalt nach Einbringung der Selbstanzeige zu einer strafrechtlichen Tatentdeckung einer Strafverfolgungsbehörde iSd § 167 StGB führen kann. Diese Vorgehensweise kann in weiterer Folge die strafbarkeitsaufhebende Wirkung der tätigen Reue konterkarieren, da die Reuehandlung nach Kenntnis der Behörde vom Verschulden des Täters nicht mehr rechtzeitig sein kann. Und dann schlägt die strafrechtliche „Keule“ zu mit oft verheerenden Folgen, welche man im Zuge einer Selbstanzeige nach § 29 FinStrG eigentlich gar nicht mitgedacht oder mitberaten hat.

In der Praxis muss daher im Rahmen einer kritischen Betriebsprüfung bei Verfassung einer Selbstanzeige nach § 29 FinStrG folgendes erwogen werden:

  1. Welche Sachverhalte werden mit der Selbstanzeige offengelegt?
  2. Liegt betreffend einen der offengelegten Sachverhalte auch eine allfällige Strafbarkeit nach dem StGB vor?
  3. Ist im Rahmen des 7-Stufen Modelles bei Einordnung des Sachverhaltes zwar keine Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG, aber noch eine tätige Reue iSd § 167 StGB möglich?

Als Designschutz eingetragen

Wenn dies der Fall ist, besteht die Möglichkeit für den Täter für diese (Straf-)Tat (bei Vorliegen sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen) mittels tätiger Reue Straflosigkeit zu erwirken. Der Klient ist in diesem Schritt darüber aufzuklären, dass das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung und die Möglichkeit der strafbarkeitsaufhebenden Wirkung durch tätige Reue besteht. Dabei ist es wichtig, dass die Schadensgutmachung erfolgt, bevor die Strafverfolgungsbehörde von der Tat in Kenntnis gesetzt wird.

Und die Schadensgutmachung will ordentlich vorbereitet sein und bedarf organisatorischer Schritte. Sei es a) die rechtzeitige und vollständige Schadensgutmachung, b) die rechtzeitige und vollständige Vereinbarung dahingehend oder c) einer rechtzeitigen und vollständigen Selbstanzeige samt Erlag. Die Einbringung einer Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG ohne diese Prüfschritte birgt das Risiko der Tatentdeckung iSd § 167 StGB und kann verheerende Folgen strafrechtlicher Natur haben. Werden einer zur Strafverfolgung berufenen Behörde konkrete Anhaltspunkte dafür bekannt, dass der Täter die Straftat begangen hat, ist die Rechtzeitigkeit nicht mehr gegeben und tätige Reue iSd § 167 StGB nicht mehr möglich. Aus diesem Grund ist in diesen Fallkonstellationen besondere Vorsicht geboten und bedarf es konkreter Strategieüberlegungen.

Die konkreten Strategieüberlegungen sind anhand des 7-Stufenplan und der anhand der konkreten Maßnahmenpläne zu treffen (siehe dazu mehr im Report „Kritische Betriebsprüfung“- jetzt anfordern!!)

RESÜMEE

Im Rahmen einer kritischen Betriebsprüfung sind daher aus Beratersicht bei Erstattung der Selbstanzeige nach § 29 FinstrG die möglichen „Querschläger“ und eine mögliche Sanierung durch tätige Reue iSd § 167 StGB mitzubedenken, wobei sich diese Sanierungsinstrumente problemlos in den 7-Stufenplan einordnen lassen. Es soll letztlich verhindert werden, dass man nicht auf der einen Seite Strafaufhebung iSd § 29 FinStrG bewirkt und auf der anderen Seite nach dem StGB geradezu ein strafbares Verhalten offenbart.

DIE AUTOREN

RA Dr. Christian Eberl ist als Rechtsanwalt ausschließlich im Finanzstrafrecht tätig und hat sich ua auf die Begleitung der Steuerberater bei kritischen Betriebsprüfungen spezialisiert.

RA Mag. Beate Kiewlicz ist Rechtsanwältin im Wirtschaftsstrafrecht und ua auf die Schnittstellen des allgemeinen Strafrechts zum Finanzstrafrecht spezialisiert.

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