Kritische Betriebsprüfung® - (Nicht-)Wirkungen eines finanzstrafrechtlichen Prüfungsauftrages
Prüfungsauftrag nach § 99 Abs 2 FinStrG? Nicht immer „wasserdicht“ – daher nicht den Kopf „in den Sand stecken“
Die Finanzstrafbehörde kann zur Klärung eines Sachverhaltes eine finanzstrafrechtliche Prüfung anordnen bzw. selbst durchführen. Eine solche Prüfung gemäß § 99 Abs 2 FinStrG hat erhebliche Auswirkungen für den Abgabenpflichtigen. Die Zäsur bildet der Prüfungsauftrag und stellt grundsätzlich eine Verfolgungshandlung nach § 14 Abs 3 FinStrG dar samt dessen Konsequenzen. Wenn ………… ja wenn der Prüfungsauftrag dahingehend sämtliche Voraussetzungen erfüllt. Oder eben nicht.
Wie immer gilt: Gut beraten ist, wer seine Rechte kennt.
Die finanzstrafrechtliche Prüfung nach § 99 Abs 2 FinStrG im Allgemeinen
Die Finanzstrafbehörde ist gemäß § 99 Abs 2 FinStrG befugt, zur Klärung eines Sachverhaltes Nachschauen und Prüfungen im Sinne der Abgaben- oder Monopolvorschriften anzuordnen oder selbst durchzuführen. Die mit einer solchen Maßnahme betrauten Organe der Abgabenbehörden haben insoweit auch die Befugnisse der Organe der Finanzstrafbehörden. Führen Organe der Finanzstrafbehörden die Prüfung selbst durch, haben sie insoweit auch die Befugnisse der Organe der Abgabenbehörden. Dabei gilt bei finanzstrafrechtlichen Prüfungen keine Ankündigungspflicht und es greift nicht das Wiederholungsverbot des § 148 Abs 3 und 5 BAO, sodass auch Zeiträume nochmals geprüft werden können, welche zuvor bereits Gegenstand einer Außenprüfung waren. Bei Vorliegen der Voraussetzungen stellt eine finanzstrafrechtliche Prüfung zudem bereits eine Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG dar.
Die unmittelbaren Folgen einer finanzstrafrechtlichen Prüfung nach § 99 Abs 2 FinStrG
Wird eine Außenprüfung nach § 99 Abs 2 FinStrG angeordnet oder von der Finanzstrafbehörde selbst durchgeführt, wird der Abgabenpflichtige ab diesem Zeitpunkt mit sämtlichen Beschuldigtenrechten ausgestattet. Dies umfasst insbesondere auch das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers/Vertretungsrecht, das Recht auf Parteiengehör, das Recht auf Akteneinsicht, das Recht auf Stellung von Beweisanträgen sowie das Recht auf Verweigerung der Aussage. Je nach anhängigem Finanzstrafverfahren gelten dabei die Regeln des FinStrG (bei verwaltungsbehördlichem Finanzstrafverfahren) oder der StPO (bei gerichtlichen Finanzstrafverfahren).
Unabhängig von der – als Folgewirkung einhergehenden - Ausstattung mit den Beschuldigtenrechten, bildet ein ordnungsgemäß ausgestellter Prüfungsauftrag nach § 99 Abs 2 FinStrG aber eine weitere Zäsur. Denn ein solcher Prüfungsauftrag stellt auch eine Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG dar, wenn die dortigen Voraussetzungen erfüllt werden. Das Vorliegen einer Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG bedeutet dann in der Folge konkret, dass zum einen ein Rücktritt von einem allfälligen Versuch nicht mehr möglich ist (§ 14 Abs 2 lit a iVm Abs 3 FinStrG). Zum anderen kann nach § 29 Abs 3 lit a FinStrG ab diesem Zeitpunkt keine strafbefreiende Wirkung mehr durch Selbstanzeigen eintreten, wenn diese zB nach Vorlage des Prüfungsauftrages überreicht werden sollte. Darüber hinaus bewirkt eine Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG die Fortlaufhemmung der Verjährung gemäß § 31 Abs 4 FinStrG.
Aufgrund der damit verbundenen Konsequenzen, man denke nur an eine ordnungsgemäß vorbereitete Selbstanzeige, welche dann nicht mehr rechtzeitig wäre, gewinnt natürlich der Inhalt des Prüfungsauftrages, soll er eine „Verfolgungshandlung“ iSd § 14 Abs 3 FinStrG darstellen, enorm an Bedeutung.
Die Anforderungen an den finanzstrafrechtlichen Prüfungsauftrag
Aus dem Prüfungsauftrag muss sich zunächst eindeutig und ausdrücklich ergeben, wer die Prüfung durchführt und auf welcher gesetzlichen Grundlage geprüft wird. Im Organisationshandbuch der Finanzverwaltung wird zur finanzstrafrechtlichen Prüfung unter Punkt 8.5. außerdem ausgeführt wie folgt:
„Ordnet die Finanzstrafbehörde eine Prüfung gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG an ist der Prüfungsauftrag nach den geltenden Vorschriften auszustellen. Dabei ist im Prüfungsauftrag festzuhalten, worin der Tatverdacht liegt (Sachverhalt) und gegen wen sich der Verdacht richtet.“
Ein finanzstrafrechtlicher Prüfungsauftrag erfordert daher, zusätzlich zu den Anforderungen des § 148 BAO, noch Ausführungen zum Beschuldigten sowie zum Tatverdacht.
Zu beachten ist hierbei jedoch, dass nur ein hinreichend konkretisierter Prüfungsauftrag nach § 99 Abs 2 FinStrG auch eine Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG1 darstellt samt den damit verbundenen Konsequenzen.
Dies hat auch das BFG in einer Entscheidung vom 11.9.2023 (RV/2300005/2023) bestätigt: Kurz zusammengefasst, handelte im dortigen Fall ein Abgabenpflichtiger mit verschiedenen Grundstücken, versteuerte seine daraus erzielten Einkünfte jedoch weder in 2013 noch in 2014. Infolgedessen wurde von der Finanzstrafbehörde eine Prüfung nach § 99 Abs 2 FinStrG mit folgender Begründung angeordnet:
„Aufgrund [des] der Abgabenbehörde vorliegenden Kontrollmaterials über Grundstückankäufe und -verkäufe ab dem Jahr 2011 und des Umstandes, dass diese Immobiliengeschäfte in den Steuererklärungen des Verdächtigen nicht aufscheinen, besteht der Verdacht, dass der o.a. Steuerpflichtige die Entrichtung von Immobilienertragsteuer bzw. Einkommensteuer vermeiden wollte und somit die Verkürzung der Abgaben billigend in Kauf genommen hat.“
Die Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung in 2013 und 2014 wurde vom BFG nach Beschwerde durch den Beschuldigten aufgehoben und das Verfahren aufgrund eingetretener Verjährung eingestellt. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass gemäß ständiger Judikatur des VwGH als Verfolgungshandlungen iSd § 14 Abs 3 FinStrG nur solche Maßnahmen gelten, die nach ihrer Art und Bedeutung die Absicht der Finanzstrafbehörde erkennen lassen, gegen eine bestimmte Person den wegen einer bestimmten Tat bestehenden konkreten Verdacht zu prüfen. Sohin muss der (Prüfungs-)Handlung zu entnehmen sein, welche Tat der betroffenen Person zur Last gelegt wird.
Gegenständlich wäre es daher für eine rechtswirksame Verfolgungshandlung erforderlich gewesen, den Beschuldigten im Prüfungsauftrag konkret zu nennen und ihm konkret die Verkürzung der Einkommensteuer 2013 und der Einkommensteuer 2014 anzulasten. Mangels dieser expliziten Ausführungen wurde das Strafverfahren durch den Prüfungsauftrag noch nicht anhängig und wurde der Eintritt der Verjährung nicht gehemmt. Das Verfahren wurde sohin erst mit Verständigung des Abgabenpflichtigen über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens in 2022 anhängig, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits die Verjährung eingetreten und das Verfahren demgemäß einzustellen war.
RESÜMEE
Wenn eine finanzstrafrechtliche Prüfung nach § 99 Abs 2 FinStrG durchgeführt wird, muss sich bereits aus dem Prüfungsauftrag eindeutig ergeben, gegen welche KONKRETE Person welcher KONKRETE Tatverdacht besteht. Erst dann ist ein solcher Prüfungsauftrag als Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG samt den damit verbundenen Konsequenzen zu werten. Daher sind diese Voraussetzungen auch bei jedem Prüfungsauftrag nach § 99 Abs 2 FinStrG proaktiv zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, wird zB die finanzstrafrechtliche Verjährung nicht gehemmt und (zu diesem Zeitpunkt erstattete) Selbstanzeigen könnten weiterhin strafbefreiende Wirkung (in diesem Stadium aber mit Zuschlag nach § 29 Abs 6 FinStrG) entfalten.
DIE AUTOREN
RA Dr. Christian Eberl ist als Rechtsanwalt ausschließlich im Finanzstrafrecht tätig und hat sich ua auf die Begleitung der Steuerberater bei kritischen Betriebsprüfungen und der daraus folgenden gerichtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrensführung spezialisiert.
Felix Melzer LL.M. B.A. ist Rechtsanwaltsanwärter bei der EBERL LEGAL und beschäftigt sich im Besonderen mit der Aufarbeitung von steuerlichen Sachverhalten in Finanzstrafverfahren.
1 Neben der hinreichenden Konkretisierung muss derPrüfungsauftrag aber gemäß § 14 Abs 3 FinStrG auch den internen Bereich derFinanzstrafbehörde verlassen haben (arg: „eine nach außen erkennbareAmtshandlung“).
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