Das 2. Gebot im Finanzstrafrecht | Die Verjährung – „Game over“!
Schon im Jahr 2012 hat der Autor in einer Zeitschrift für Anwälte die 10 Gebote des Finanzstrafrechtes skizziert. Das 2. Gebot: die Verjährung als ein wichtiger Eckpfeiler, d.h. ein unabdingbares „must-know“, welches immer wieder zu Fehlern führt.
1. Die Problemstellung – oder Warum ist die „Verjährung“ ein Gebot
Das Spezielle am Finanzstrafrecht ist der Umstand, dass es als Blankettstrafnorm abgabenrechtlicher Sachverhalte bedarf, welche in den jeweiligen Tatbestand hineingelesen werden müssen. Die weitere Besonderheit liegt nunmehr darin, dass diese abgabenrechtlichen Sachverhalte aber einem eigenen – völlig unterschiedlichem - Verjährungsregime als dem des FinStrG unterliegen. Und jetzt beginnt das „Warum“. Bei Beurteilung einer finanzstrafrechtlichen oder abgabenrechtlichen Maßnahme sind im Hinblick auf die Verjährung immer „zwei Brillen“ aufzusetzen. Denn: Ein – abgabenrechtlich und finanzstrafrechtlich relevanter - Sachverhalt kann abgabenrechtlich, aber nicht finanzstrafrechtlich verjährt sein; und umgekehrt. Die Prüfung der Verjährung sollte daher in einem Fallprüfungsshema ganz oben stehen.
2. Die Verjährungsfristen im Einzelnen:
2.1. Die relative Verjährungsfrist beträgt im Finanzstrafrecht gemäß § 31 Abs. 2 FinStrG für Finanzordnungswidrigkeiten (FO) nach §§ 49 bis 49d drei Jahre, für andere FO ein Jahr und für die übrigen Finanzvergehen, d.h. z.B. für USt, KÖSt, ESt und KESt, fünf Jahre. Die Verjährungsfrist im Abgabenrecht beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO – bei den hier interessierenden Abgaben, u.a. USt, KÖSt, ESt, KESt – grundsätzlich fünf Jahre, soweit eine Abgabe hinterzogen ist jedoch zehn Jahre.
Die relativen Verjährungsfristen im Finanzstrafrecht gemäß § 31 Abs. 2 FinStrG werden insoweit verlängert, als in § 31 Abs. 3 FinStrG eine Ablauf- und in § 31 Abs. 4 FinStrG eine Fortlaufhemmung vorgesehen ist. § 31 Abs. 3 FinStrG sieht insoweit eine Verlängerung von (grob) fahrlässigen oder vorsätzlich begangenen Finanzvergehen vor, wenn während deren Verjährung ein vorsätzliches Finanzvergehen (auch FO) begangen wird („Zug-Waggon-Prinzip“). In § 31 Abs. 4 lit a bis d FinStrG ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Fortlauf einer Frist „stoppt“ und nach Aufhören der dort umschriebenen Zustände nur um die „restliche“ – noch nicht verstrichene – Frist weiterläuft. In der Praxis sind dies im Wesentlichen die Fälle der Führung von Strafverfahren gegen Täter bei der StA, bei Gericht, bei einer Finanzstrafbehörde oder beim BFG sowie Fälle der Anhängigkeit von Verfahren beim VfGH oder VwGH. Will man nunmehr die Fortlaufhemmung des § 31 Abs. 4 lit b FinStrG anhand eines gerichtlich zu ahndenden Finanzvergehens weiter näher betrachten, kann man z.B. auf die Entscheidung des OGH vom 13.03.2019 (13 Os 118/18d) zurückgreifen. Nach dessen Ausführungen wird u.a. durch Maßnahmen der StA wie die Eintragung der Sache in das Geschäftsregister oder die Erstellung eines (die Verdachtslage zusammenfassenden) Amtsvermerks mangels Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen oder Ausübung von Zwang gegen eine verdächtige Person noch kein Strafverfahren „geführt“ und bewirkt daher keine Fortlaufhemmung. Im Sinne einer „Anhängigkeit“ spielt in der Praxis vor allem die angeordnete Prüfung nach § 99 Abs. 2 FinStrG als Verfolgungshandlung gemäß § 14 Abs. 3 FinStrG eine zentrale Rolle bei Prüfung des § 31 Abs. 4 lit b FinStrG. Abgabenrechtlich findet sich die maßgebliche Regelung in § 209 Abs. 1 BAO. Werden innerhalb der abgabenrechtlichen relativen Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (z.B. § 14 Abs. 3 FinStrG) gelten als solche Amtshandlungen. Bei Veranlagungsabgaben bewirkt daher die Zustellung des Bescheides bereits eine abgabenrechtliche Verlängerung um ein Jahr. Diese Regelung gilt jedoch nur für nicht hinterzogene Abgaben, da für diese ohnedies schon eine – absolute – Verjährungsfrist von 10 Jahren festgelegt ist.
2.2. Bei Finanzvergehen, für deren Verfolgung die Finanzstrafbehörde zuständig ist, erlischt die Strafbarkeit jedenfalls (absolute Verjährung), wenn seit dem Beginn der Verjährungsfrist zehn Jahre (beachte jedoch noch das fortgesetzte Delikt) und gegebenenfalls die in Abs. 4 lit. c genannte Zeit beim VwGH und VfGH verstrichen sind. Bei Finanzvergehen nach § 49a FinStrG erlischt die Strafbarkeit jedenfalls, wenn dieser Zeitraum ab dem Ende der Anzeigefrist gemäß § 121a Abs. 4 BAO oder der Mitteilungsfrist nach § 109b Abs. 6 EStG 1988 verstrichen ist. Bei Finanzvergehen, für deren Verfolgung das Gericht zuständig ist, wurde die 15-jährige absolute Verjährungsfrist mit der FinStrG-Nov 1998 abgeschafft. Unter Berücksichtigung der OGH Judikatur[1] würden erst gerichtlich strafbare Finanzvergehen, welche vor dem 13.01.1984 begangen wurden, der absoluten Verjährung unterliegen.
Nach § 209 Abs. 3 erster Satz BAO beträgt die absolute Verjährung im Abgabenverfahren, sohin das Recht auf Festsetzung einer Abgabe, zehn Jahre (nach Entstehung des Abgabenanspruches gemäß § 4 BAO; auf den Sonderfall gemäß § 209 Abs. 3 zweiter Satz BAO sei nur hingewiesen).
3. Der Beginn der Verjährungsfristen:
Bei Erfolgsdelikten beginnt die Verjährungsfrist im Finanzstrafrecht gemäß § 31 Abs. 1 3. Satz FinStrG mit Eintritt des Erfolges zu laufen. Bei durch Bescheid festzusetzenden Abgaben, so u.a. die ESt, (Jahres-)USt und KÖSt, tritt der Erfolg dann ein, wenn die Abgabe zu niedrig festgesetzt wurde. Im Fall der Unterlassung beginnt die Verjährung bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben – infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Anspruchsentstehung – mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zu laufen. Das ist bei der (Jahres-)UST, der ESt sowie der KÖST Ende April bzw. bei elektronischer Einreichung Ende Juni des Folgejahres. Bei selbst zu berechnenden Abgaben, z.B. UVA´s, Lohnsteuer, KESt, tritt die Vollendung mit der nicht oder nicht vollständigen Abfuhr zum Fälligkeitstag ein. Bei Erfolgsdelikten, welche im Versuchsstadium stecken bleiben, ist nach der Jud des OGH[2] der Zeitpunkt des Einreichens der Steuererklärung - als letzter Ausführungshandlung – maßgeblich.
Sofern nicht auf einen Erfolgseintritt abzustellen ist, z.B. § 48 b oder § 49a Abs. 1 FinstrG, richtet sich der Fristbeginn bei aktivem Tun nach § 31 Abs. 1 zweiter Satz FinStrG. Bei Unterlassung, in dem die gebotene abgabenrechtliche Handlung nach dem Gesetz spätestens zu setzen war[3], sofern es sich dabei um schlichte Unterlassungsdelikte (und nicht Dauerdelikte) handelt.[4] Hinsichtlich Beginn bei mehreren Beteiligten – wobei selbstverständlich die Verjährung für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen ist - sei auf Folgendes hingewiesen: Wenn bei Erfolgsdelikten auch der Erfolg tatsächlich eintritt, beginnt für alle Beteiligten die Verjährungsfrist gleichzeitig ab diesem Zeitpunkt zu laufen.[5]
Wenn bei Erfolgsdelikten der Erfolg nicht eintritt und das Finanzvergehen im Versuch stecken bleibt, so können diese Zeitpunkte variieren, je nachdem zu welchem Zeitpunkt jeder sein mit Strafe bedrohtes Verhalten gesetzt hat, wobei das späteste mögliche Anfangsdatum des Fristbeginns das Einreichen der unrichtigen Abgabenerklärung durch den unmittelbaren Täter ist.[6] Beim Beginn der Verjährungsfrist ist gemäß § 31 Abs. 1 letzter Satz FinStrG ein einziger Anknüpfungspunkt mit dem abgabenrechtlichen Verjährungsregime zu beachten, nämlich der Umstand, dass die Verjährungsfrist nie früher zu laufen beginnt, als jene für die Festsetzung der Abgabe, auf die sich die Straftat bezieht.
Die abgabenrechtliche Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit a BAO – als hier in der Praxis wesentlichsten Anknüpfungspunkt (in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO) mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.
4. Schlussüberlegungen:
Das Wechselspiel zwischen FinStrG und BAO im Bereich des Verjährungsrechtes nimmt daher eine zentrale Rolle bei der strategischen Vorgangsweise von finanzstrafrechtlich relevanten Sachverhalten ein. Insbesondere – als ein Beispiel von vielen - bei der Beurteilung der Erstattung einer Selbstanzeige wird man sich daher den Fragen stellen müssen, für welchen Zeitraum, für welche Täter und für welche Delikte, in Anbetracht der unterschiedlichen Verjährungsregime, eine solche sinnvoll und zielführend ist.
Über den Autor:
Dr. Christian Eberl ist Rechtsanwalt und hat sich auf das Finanzstrafrecht spezialisiert, im Besonderen auf die Präventivabwehr im Vorfeld und die Begleitung des steuerlichen Vertreters des Abgabepflichtigen vor, in und nach der Betriebsprüfung iZm der finanzstrafrechtlichen Beratung/Verteidigung.
KONTAKT
Dr. Christian Eberl, Rechtsanwalt, Fachkanzlei für Finanzstrafrecht
christian.eberl@ra-eberl.at | www.www.ra-eberl.at
[1] Siehe dazu umfassend Lässig, in Höpfel/Ratz, WK, 2. Auflage, Rz 8 zu § 4 FinStrG
[2] OGH vom 13.03.2019 (13 Os 118/18d)
[3] Lässig, in Höpfel/Ratz, WK, 2. Auflage, Rz 3 zu § 31 FinStrG
[4] siehe dazu Brandl, in Leitner/Brandl/Kert, Handbuch FinStrG, 4. Auflage, Rz 956 ff
[5] idS u.a. OGH vom 13.03.2019 (13 Os 118/18d)
[6] siehe OGH vom 13.03.2019 (13 Os 118/18d)
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